Marie-France Pisier war eine französische Schauspielerin, Regisseurin und Autorin. 1962 wurde Pisier von François Truffaut für den Film entdeckt. Der Regisseur suchte eine junge Schauspielerin für den Kurzfilm Antoine und Colette, der in den Episodenfilm Liebe mit zwanzig eingehen sollte, und gab daher eine Anzeige in der Zeitschrift Cinémonde auf. Truffaut ließ sie vorsprechen und gab ihr die Rolle. Der Kurzfilm, in dem sie das prüde Objekt der Begierde von Truffauts Alter Ego Antoine Doinel (Léaud) spielte, machte Pisier bekannt. Den Part der Colette übernahm Pisier erneut im Jahr 1968 in einem einminütigen Kurzauftritt in Geraubte Küsse. 1979 kehrte sie in Liebe auf der Flucht zurück, in dem sie Antoine im Zug und später seine Ex-Frau Christine (Claude Jade) trifft und sich mit ihr über Antoine unterhält. Pisier war gemeinsam mit Jean Aurel und Suzanne Schiffman auch Truffauts Co-Autorin von Liebe auf der Flucht. Pisier spielte nach der Zusammenarbeit mit Truffaut in eher unbedeutenden Genrefilmen. Daneben studierte sie an der Universität Paris-Nanterre und sympathisierte während der Pariser Mai-Unruhen von 1968 mit Daniel Cohn-Bendits „Bewegung des 22. März“ (französisch Mouvement du 22 Mars). Mit dem späteren Politiker verband sie auch eine private Beziehung. Der Durchbruch als Filmschauspielerin in Frankreich folgte 1975 mit ihrer Rolle in Jean-Charles Tacchellas international erfolgreicher Liebeskomödie Cousin, Cousine; ihre Darstellung der hysterisch-depressiven Ehefrau von Victor Lanoux brachte ihr den César als beste Nebendarstellerin ein. Im Jahr darauf gewann Pisier in der Rolle der Prostituierten Nelly in André Téchinés Barocco erneut den Preis, und es folgten Rollen in englischsprachigen Filmen. In Deutschland war Pisier 1981 unter der Regie von Hans W. Geißendörfer in der Thomas-Mann-Verfilmung Der Zauberberg als Clawdia Chauchat zu sehen. Im selben Jahr schlüpfte sie für George Kaczenders Einzigartige Chanel in die Rolle der Modeschöpferin Coco Chanel. Zehn Jahre später gehörte sie neben Sophie Marceau zur Darstellerriege von Andrzej Żuławskis Filmdrama Blue Note, in dem sie als George Sand die Geliebte von Frédéric Chopin auftrat. 1997 arbeitete Pisier mit Manuel Poirier an Marion, der Geschichte eines zehnjährigen Mädchens aus der französischen Provinz, das sich mit einer wohlhabenden Pariserin anfreundet. Mit Beginn der 1990er Jahre wandte sie sich vermehrt der Arbeit im Fernsehen zu und verkörperte unter anderem wiederkehrende Rollen in den Serien Venus und Apoll (2005), Milch und Honig (2009) und Le Chasseur (2010). In den 2000er Jahren erschien Pisier in Kinoarbeiten französischer Nachwuchsregisseure, etwa in Christophe Honorés In Paris und Maïwenn Le Bescos Verzeiht mir (beide 2006). Pisier war auch als Drehbuchautorin und Regisseurin tätig. Nachdem sie bereits an den Drehbüchern von Rivettes Céline und Julie fahren Boot (1974) und Truffauts Liebe auf der Flucht (1979) mitgearbeitet hatte, gab sie 1990 ihr Regiedebüt mit Le Bal du gouverneur. Der Film mit Kristin Scott Thomas und Didier Flamand in den Hauptrollen entstand nach einer eigenen Romanvorlage, in der sie ihre Kindheit in Neukaledonien verarbeitet hatte. 2002 inszenierte Pisier den Spielfilm Comme un avion mit Bérénice Bejo, zu dem sie der Tod ihrer Eltern inspiriert hatte.